1. Juni 2021

Betriebsrätemodernisierungsgesetz

Anwaltliche Beratung

Modernisierungsgesetz 

Am 21.05.2021 hat der Bundestag das Betriebsrätemodernisierungsgesetz verabschiedet. Dadurch kommen zahlreiche Änderungen auf den Betriebsrat zu. Unter anderem gehört dazu die dauerhafte Möglichkeit von Online-Betriebsratssitzungen, ein besserer Kündigungsschutz bei der Betriebsratswahl sowie ein verbesserter Unfallschutz im Homeoffice.

Was ändert sich für die Betriebsratswahl?

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz enthält wichtige Neuerungen bezüglich der Betriebsratswahl.

Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens

Das Gesetz soll die Betriebsratsgründungen erleichtern. Dazu soll unter anderem das vereinfachte Wahlverfahren nicht nur bis zu einer Zahl von 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern, sondern bis zu einer Zahl von 100 Arbeitnehmern zwingend werden. In Betrieben ab 101 bis 200 Wahlberechtigten können Wahlvorstand und Arbeitgeber als Alternative zum normalen Wahlverfahren, das vereinfachte Wahlverfahren vereinbaren.
Das vereinfachte Wahlverfahren zeichnet sich vor allem durch kürzere Fristen aus. Es bleibt aber ein komplexes Verfahren, mit dem sich der Wahlvorstand intensiv auseinandersetzen muss. Daher bleibt fraglich, ob die Regelung wirklich zu einer Erleichterung der Betriebsratsgründung beiträgt.

Reduzierung von notwendigen Stützunterschriften 

Stützunterschriften sind notwendig für einen gültigen Wahlvorschlag. Um nicht ernst gemeinte Wahlvorschläge zu verhindern, soll ein Vorschlag von einer ausreichenden Anzahl wahlberechtigter Arbeitnehmer unterstützt werden.
Das Gesetz will für kleine Betriebe diese Formalität erleichtern und legt fest, dass bis 20 Beschäftigte keine Stützunterschriften mehr notwendig sind. Bei Betrieben zwischen 20 und 100 Wahlberechtigten erfolgt eine pauschale Absenkung auf mindestens zwei Stützunterschriften.

Weiterhin ist bei Betrieben mit 21 bis 100 Wahlberechtigten für Vorschläge, welche auf der Wahlversammlung gemacht werden, keine Schriftform erforderlich. Die Unterstützung kann einfach per Handzeichen erfolgen.

Anfechtungsrecht der Betriebsratswahl 

Wahlberechtigte sollen eine unrichtige Wählerliste nur erfolgreich anfechten können, wenn vorher ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Fehler in der Wählerliste, die auf eigenen unrichtigen Angaben vom Arbeitgeber beruhen, sollen Arbeitgeber in Zukunft nicht mehr geltend machen können.

Ausweitung des Kündigungsschutzes

Bisher beginnt der Kündigungsschutz für Initiatoren einer Betriebsratswahl erst mit der Einladung zur Wahlversammlung und umfasst nur die ersten drei in der Einladung genannten Arbeitnehmer. Das neue Gesetz legt den Kündigungsschutz für die ersten sechs der aufgeführten Arbeitnehmer fest. Zusätzlich sollen nun auch Vorbereitungshandlungen geschützt sein, welche häufig deutlich vor der Einladung zur Wahlversammlung beginnen. Mit der Änderung erhalten die Vorfeld-Initiatoren erstmals einen speziellen befristeten Kündigungsschutz vor personen- und verhaltensbedingten ordentlichen Kündigungen. Voraussetzung ist, dass sie eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgegeben haben, dass sie einen Betriebsrat gründen möchten.

Absenken des Alters für Wahlberechtigte

Das Mindestalter für die aktive Wahlberechtigung wird von der Vollendung des 18. Lebensjahres auf die Vollendung des 16. Lebensjahres abgesenkt.

 

Digitalisierung der Betriebsratsarbeit

Digitale Sitzungen und Beschlussfassungen

Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz sollen Betriebsratssitzungen nun dauerhaft digital per Video- oder Telefonkonferenz zulässig sein. Der wegen der Corona-Pandemie befristet eingeführte § 129 BetrVG endet zum 30.06.2021. Durch die geplante Erweiterung des § 30 BetrVG soll die Möglichkeit der digitalen Sitzung trotzdem weiter bestehen bleiben. Präsenzsitzungen haben dabei weiterhin Vorrang. Die genaue Ausgestaltung der Rahmenbedingung obliegt dabei dem Betriebsrat, welcher die Sicherung des Vorrangs der Präsenssitzung festzulegen hat.

Die Nutzung von Video- und Telefonkonferenzen ist deswegen nur zulässig, wenn nicht zuvor ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats dem Verfahren widerspricht und sichergestellt ist, dass Dritte keine Kenntnis von der Sitzung nehmen können.
Der Vorsitzende muss in der Einladung darauf hinweisen, in welcher Weise die Nutzung von digitalen Sitzungen beabsichtigt ist und hat eine angemessene Frist zum Widerspruch zu setzen. Der formlose Widerspruch hat gegenüber dem Vorsitzenden zu erfolgen. Zusätzlich müssen technische Maßnahmen, wie beispielsweise eine Verschlüsselung der Verbindung, getroffen werden. Es sind bei der Sitzung die Vorgaben des Datenschutzes einzuhalten und sie darf nicht aufgezeichnet werden.

Datenschutzrechtliche Verantwortung

Das Gesetz bestimmt den Arbeitgeber als datenschutzrechtlichen Verantwortlichen im Sinne der DS-GVO, wenn der Betriebsrat in eigener Zuständigkeit personenbezogene Daten verarbeitet. Der Betriebsrat hat dabei die datenschutzrechtlichen Vorgaben einzuhalten.
Trotzdem fehlt weiterhin die Klärung der Rolle des Datenschutzbeauftragten im Verhältnis zum Betriebsrat. Fragen, welche beispielsweise die Kontrollmöglichkeiten betreffen, bleiben somit weiterhin offen.

Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur

Betriebsvereinbarungen und Beschlüsse der Einigungsstelle können in Zukunft in elektronischer Form unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden. Dazu genügt ein elektronisches Signieren vom Betriebsrat und Arbeitgeber auf dem gleichen Dokument. Diese Möglichkeit gilt auch für Interessenausgleich und Sozialplan. Beim Einigungsstellenspruch hat der Vorsitzende das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu unterzeichnen und dann an die Betriebsparteien weiterzuleiten.

 

Mitbestimmung bei mobiler Arbeit

Die zunehmende Digitalisierung in der Arbeitswelt 4.0 lässt die Bedeutung von mobiler Arbeit steigen. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz sieht vor, dass Betriebsräte künftig ein weiteres Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit haben. Dem Betriebsrat wird mit § 87 Abs 1 Nr.14 ein ganz neuer Mitbestimmungstatbestand zugestanden. Das „ob“ der mobilen Arbeit verbleibt dabei bei dem Arbeitgeber. Betriebsräte sollen allein bei der inhaltlichen Ausgestaltung ein Mitbestimmungsrecht haben. Das schließt beispielsweise Regelungen über den zeitlichen Umfang der mobilen Arbeit, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf die mobile Arbeit, den Ort oder zur Erreichbarkeit ein.

 

Mitbestimmung beim Einsatz künstlicher Intelligenz 

Hinsichtlich des Einsatzes von künstlicher Intelligenz schreibt das Gesetz vor, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich gilt, sofern der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von künstlicher Intelligenz  beurteilen muss. Auch ein ständiger Sachverständige soll so eingesetzt werden können. Damit sollen Diskussionen über die „Erforderlichkeit“ entfallen. Die Notwendigkeit von Einigungen über die Kosten und die Person des Sachverständigen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bleiben dabei trotzdem bestehen.

Weiterhin stellt das Gesetz klar, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl gleichermaßen gelten müssen, wenn die Aufstellung von Auswahlrichtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz erstellt werden. Plant der Arbeitgeber im Betrieb künstlicher Intelligenz einzusetzen, muss eine frühzeitige Information des Betriebsrats erfolgen. Der Betriebsrat hat umfassende Informationsrechte.

Rechte des Betriebsrats bei Weiterbildung

Die bedarfsorientierte Qualifizierung der Beschäftigten ist gerade im Zeitalter der sich ständig weiterentwickelnden Digitalisierung unerlässlich. Daher sollen die Rechte des Betriebsrats bei der Berufsbildung gestärkt werden. Das Gesetz sieht vor, das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung auszubauen und ermöglicht es dem Arbeitgeber oder dem Betriebsrat bei Uneinigkeiten die Einigungsstelle anzurufen. Ein Einigungszwang besteht nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Einigungsstellenverfahren zeit- und kostenintensiv sein kann und daher fraglich ist, ob diese Regelung bedarfsgerecht ist.

Unfallversicherungsschutz im Homeoffice

Im Zuge der Digitalisierung und vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie wächst die Bedeutung von Homeoffice. Bisher greift der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn der Unfall in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeit steht. Abgesichert ist somit etwa der Weg zum Drucker oder zum Büromaterial, nicht jedoch Wege im eigenen Haushalt zur Nahrungsaufnahme oder zum Bad. Diese Lücke wird nun durch eine Anpassung des § 8 SGB VII-E geschlossen. Der Versicherungsschutz soll in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit im Unternehmen bestehen, wenn die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten (Homeoffice) oder an einem anderen Ort (mobile Arbeit) ausgeübt wird. Darüber hinaus wird der Schutz bei einer Homeoffice-Tätigkeit auf Wege ausgedehnt, die wegen der beruflichen Tätigkeit zur außerhäuslichen Betreuung der Kinder zurückgelegt werden.