Freiwilligenprogramm als Instrument der Transformation
Die (Arbeits-)Welt ist im stetigen Wandel. Derzeit stehen, getrieben von Digitalisierung und Klimaschutz, in Unternehmen viele Änderungen an. Marktkräfte und auch Kundenbedürfnisse verändern sich, es gibt neue Wettbewerber und neue Technologien bis hin zu neuen Geschäftsmodellen. Ohne Veränderung und Anpassung können sich auch etablierte Unternehmen nicht mehr am Markt durchsetzen. Eine sorgfältig geplante Transformation kann die Zukunft eines Unternehmens verändern und verbessern. Welche Vorteile bietet das Freiwilligenprogramm im Rahmen der Transformation und welche Gestaltungsmöglichkeiten und Herausforderungen gilt es zu beachten?
Gestaltungsmöglichkeiten für das Freiwilligenprogramm
Freiwilligenprogramme können bei Restrukturierung und Personalabbaumaßnahmen ein attraktives Instrument sein. Das Freiwilligenprogramm zielt darauf ab, einen sozialverträglichen Personalabbau durchzuführen und eine Alternative zur betriebsbedingten Kündigung und einer damit einhergehenden Sozialauswahl zu bieten. Dabei sollen durch den systematischen Abschluss von Aufhebungsverträgen mit zuvor festgelegten Konditionen, Arbeitnehmer*innen freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden.
Die Initiative geht vom Arbeitgeber aus, sodass er grundsätzlich über die Art und Weise entscheiden kann. Es gibt verschiedene Arten des Freiwilligenprogramms. Wird allen Beschäftigten ein Aufhebungsvertrag angeboten, spricht man von einem offenen Angebotsverfahren. Je nach Zielrichtung und Interesse des Arbeitgebers, möchte er zum Beispiel gewisse Leistungsträger nicht an andere Wettbewerber verlieren, sind andere Arten besser geeignet.
Im Rahmen des selektiven Angebotsverfahrens werden die Aufhebungsangebote von vornherein nur bestimmten Personengruppen/Positionen/ oder Bereichen unterbreitet. Eine andere Möglichkeit bietet das eingeschränkte Angebotsverfahren. Hierbei legt der Arbeitgeber im Vorhinein Gründe fest, bei denen er einen, von einer Arbeitskraft verlangten, Aufhebungsvertrag verweigern kann. Dafür können Listen, auf Basis von sachlichen Gründen, für die Herausnahme bestimmter Arbeitnehmer*innen oder Bereiche/Positionen erstellt werden („rote Liste oder Ampel-Liste“), bei welchen der Arbeitgeber dann den Abschluss eines Aufhebungsvertrages ablehnen darf. Der Arbeitgeber kann aber auch im Gegenteil eine „grüne Liste“ erstellen und das Freiwilligenprogramm somit nur für bestimmte Arbeitnehmer*innen/Gruppen öffnen.
Daneben ist auch ein gesteuertes Anspracheprogramm möglich. Bei diesem spricht man gezielt nur gewisse Arbeitnehmer*innen an. Anerkannt und bewährt ist auch das Mittel der „doppelten Freiwilligkeit“. Bei dieser behält sich der Arbeitgeber im Rahmen einer Einzelfallprüfung vor, ob er mit der jeweiligen angestellten Person, die den Aufhebungsvertrag abschließen will, tatsächlich den Vertrag eingehen will. Dabei bedarf es keiner gesonderten Begründung, warum er den Abschluss verweigert.
Oftmals wird das Freiwilligenprogramm durch eine sogenannte „Turbo- oder Sprinterprämie“ vorangetrieben. Diese stellt einen zusätzlichen Anreiz für Arbeitnehmer*innen dar, indem regelmäßig ein Zuschlag auf den ohnehin bestehenden Abfindungsanspruch gewährt wird, wenn man den Aufhebungsvertrag in einer zügigen Frist annimmt.
Vorteile des Freiwilligenprogramms
Ein großer Vorteil des Freiwilligenprogramms ist die Rechtssicherheit, die der Arbeitgeber erhält. Da er im Idealfall keine betriebsbedingte Kündigung ausspricht, muss er keinen kostenaufwendigen Kündigungsschutzprozess befürchten. Ein weiterer für den Arbeitgeber attraktiven Vorteil stellt die Vermeidung der Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG dar. So können auch besser geschützte Mitarbeiter, etwa wegen langer Betriebszugehörigkeit oder hohen Lebensalters, abgebaut werden. Leistungsträger kann das Unternehmen hingegen besser und mit mehr Rechtssicherheit schützen. Diese können zwar nach § 1 Abs.3 S. 2 KschG aus der Sozialauswahl ausgeschlossen werden, doch gerät der Arbeitgeber ohne Sozialauswahl gar nicht in die Position der Rechtfertigung.
Aufgrund der freiwilligen Teilnahme und in Verbindung mit einer Turbo- oder Sprinterprämie ist in der Regel auch eine schnellere Durchführung des Personalabbaus, als bei einem einseitigen Personalabbau zu erwarten. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber das Freiwilligenprogramm ohne Mitbestimmung des Betriebsrats gestalten. Insbesondere unterliegt die Festlegung der Abfindung nicht der Mitbestimmung zu betrieblichen Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Allerdings ist in einigen Betriebsvereinbarungen eine Regelung zu Konditionen eines Freiwilligenprogramms vorhanden. Dann ist der Arbeitgeber eingeschränkter in seinem Gestaltungsraum. Im Gegenzug wird aber eine höhere Sozialverträglichkeit gewährleistet. Die Unterstützung und Einbeziehung des Betriebsrats erhöht bei der Umsetzung des Freiwilligenprogramms die innerbetriebliche Akzeptanz, was auch einen Reputationsverlust in der Öffentlichkeit verhindern kann.
Ist ein größerer Personalabbau geplant, liegt häufig eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG vor. Dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Betriebsrat rechtzeitig umfassende Auskünfte zu seinem Vorhaben zu geben und über Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln. Das Freiwilligenprogramm ist dabei regelmäßig als Umsetzungsmaßnahme in die Interessenausgleichsverhandlungen eingebunden.
Herausforderungen bei dem Freiwilligenprogramm
Um Risiken vorbeugend entgegenzutreten, bedarf es eines Zeit- und Maßnahmeplans für die Restrukturierungsmaßnahmen.
Das Unternehmen muss für das Freiwilligenprogramm die Kosten hinreichend kalkulieren. Um das Ausscheiden aus dem Unternehmen möglichst attraktiv zu gestalten, müssen einige Kosten einberechnet werden. Weiterhin muss der Arbeitgeber bei der Auswahl von Beschäftigten für das Freiwilligenprogramm und dessen Ausgestaltung das AGG beachten.
Häufig ist eine Betriebsänderung der Auslöser für das Freiwilligenprogramm, sodass der Arbeitgeber den Betriebsrat nach § 111 BetrVG rechtzeitig und umfassend unterrichten muss. Hierfür muss der richtige Zeitpunkt abgepasst und die Unterrichtung geplant werden. In der Planung muss das Unternehmen auch berücksichtigen, ob der Schwellenwerte für eine Massenentlassung überschritten wird, denn auch Aufhebungsverträge zählen zu Entlassungen im Sinne des § 17 KSchG. Dann ist ein Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat und eine Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit notwendig. Ohne Massenentlassungsanzeige können die Aufhebungsverträge unwirksam sein. Der Arbeitgeber muss die hohe Fehleranfälligkeit der Anzeige beachten und genaustens arbeiten.
Fazit
Das Freiwilligenprogramm ist ein kosten- und zeiteffizientes Instrument beim Personalabbau. Die Vorteile liegen daneben auch in der Planbarkeit und Sozialverträglichkeit. Um diese zum Tragen zu bringen und Stolperfallen zu umgehen, bedarf es eines durchdachten Zeit- und Maßnahmeplans. Einen wesentlichen Erfolgsfaktor stellt auch das Fingerspitzengefühl für die Kommunikation mit der Belegschaft dar. Falls ein Betriebsrat vorhanden ist, sollte hier ausreichend Zeit für die Kommunikation eingeplant werden.