13. Dezember 2022

Kurzarbeit in der aktuellen Krisenzeit

Anwaltliche Beratung Energie und Krise Sachverständige Beratung

Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation und Energiekrise – die Herausforderungen der letzten Zeit bringen auch Unternehmen in Not. Die steigenden Kosten und die Angst vor unzureichender Energieversorgung lassen besorgt in die Zukunft blicken. Kann Kurzarbeit als Überbrückung für diese Krisenzeit dienen? 

Kurzarbeitergeld: Verlängerung des vereinfachten Zugangs 

In der Corona-Pandemie war  Kurzarbeit das Mittel zum Arbeitsplatzerhalt. Es wurden  Zugangserleichterungen zum Kurzarbeitergeld eingeführt, etwa die Reduzierung der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer  auf mindestens zehn Prozent. Seitdem  wird auch auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden verzichtet.  

Aktuell gilt der vereinfachte Zugang bis Ende 2022. Durch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges drohen weitere Störungen in den Lieferketten und Versorgungsengpässe beim Gas. Daher hat am 29. September 2022 der Bundestag der Bundesregierung die Möglichkeit eingeräumt, bis Mitte 2023 durch Verordnung den vereinfachten Zugang zu verlängern. . Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die vereinfachten Zugangsregeln zum Kurzarbeitergeld nun bis Ende Juni 2023 verlängern. Die dafür nötige Verordnung ging schon durch die Ressortabstimmung. 

Energiekrise als Begründung für Kurzarbeit? 

Der Arbeitgeber kann durch die Kurzarbeit bei den Kosten für die Beschäftigten entlastet werden. Er kann von der Agentur für Arbeit rückwirkend eine Erstattungsleistung für den trotz vorübergehenden Arbeitsausfalls gezahlten Lohns bekommen. Damit der Arbeitgeber erfolgreich Kurzarbeitergeld beantragen kann, müssen die grundsätzlichen Voraussetzungen des § 95 SGB III vorliegen, insbesondere  ein bestehender erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall. 

Der erhebliche Arbeitsausfall muss auf einem unabwendbaren Ereignis oder wirtschaftlichen Ursachen beruhen, nur vorübergehend und nicht vermeidbar sein und eine Mindestanzahl an Arbeitnehmer*innen betreffen. Diese Mindestanzahl liegt derzeit bei zehn Prozent.

Steigende Energiepreise als unabwendbares Ereignis für Kurzarbeitergeld 

Die Inflation und Energiekrise haben extreme Preissteigerungen zur Folge. Wollen Unternehmen ausschließlich aufgrund dieser Preissteigerungen Kurzarbeit einführen, sind die Voraussetzungen zur Auszahlung des Kurzarbeitergeldes nicht gegeben. Diese Preissteigerungen stellen kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 96 SGB III dar. Vielmehr handelt es sich um ein übliches, allgemeines Marktrisiko. Demnach reichen bloße Preissteigerungen allein nicht aus, um Kurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit zu erlangen. 

Einschränkung oder Stilllegung von Betrieben bzw. Betriebsteilen als Grund für Kurzarbeit 

Werden der Betrieb oder Betriebsteile stillgelegt oder eingeschränkt, kommt es für den Bezug des Kurzarbeitergeldes auf den Grund der Maßnahme an. Liegt dieser allein in den Preissteigerungen, handelt es sich um das von den Unternehmen zu tragende Betriebsrisiko. Dies sind daher regelmäßig nicht ausreichende Umstände für Kurzarbeit. Anders sieht es aus, wenn der Staat Stufe 3 des Notfallplan Gas ausruft und die Energieversorgung eines Unternehmens aufgrund öffentlich-rechtlicher Verfügungen nicht mehr gewährleistet ist. In einem solchen Fall wäre die Gewährung des Kurzarbeitergeldes denkbar. 

Rückblickend auf die Pandemiezeiten sei hier die Differenzierung des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich des Zwecks der staatlichen Maßnahmen erwähnt. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass – wenn der Arbeitgeber mit der Schließung des Betriebs keine autonome Entscheidung trifft, sondern diese aufgrund bestimmter behördlicher Maßnahmen erfolgt – diese nicht unter das vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 3 BGB zu tragende Betriebsrisiko fällt. Das ist der Fall, wenn zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. Dabei wird dann nicht auf ein in einem bestimmten Betrieb angelegten besonderen Risiko abgestellt.  

 Demnach müssten auch bei einer möglichen Betriebsschließung im Rahmen des Notfallplans Gas, die Grundsätze zum Betriebsrisiko vom Zweck der behördlichen Maßnahme abhängen. 

Auftragsmangel als Grund für den Arbeitsausfall? 

Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht auch, wenn der Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Gründen beruht. Nach § 96 II SGB III beruht ein Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Gründen, wenn er durch eine Veränderung der betrieblichen Strukturen verursacht wird, die durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingt ist. Beruht der Arbeitsausfall auf einem Auftragsmangel, der auf der allgemeinen Wirtschaftslage beruht, kommt dies als Grund für den Bezug von Kurzarbeitergeld in Betracht. Voraussetzung ist, dass der Grund des Auftragsmangels außerhalb der betrieblichen Sphäre liegt. Ein Beispiel wäre die sinkende Kaufkraft der Kunden durch eine Hyper-Inflation. 

Eingeschränkte Lieferketten und Rohstoffmangel 

Auch ein Materialengpass, der durch Lieferengpässe oder Rohstoffmangel ausgelöst wird, kann die Bearbeitung von Aufträgen verzögern. Das kann zu einem erheblichen Arbeitsausfall führen, der zu Kurzarbeit berechtigt. Entscheidend ist erneut, dass der Grund des Ausfalls außerhalb der betrieblichen Sphäre liegt. Wenn Bestellungen aufgrund erhöhter Preise nicht getätigt wurden und dies zu einem Mangel an Betriebs- und Werkstoffen führte, liegt diese Voraussetzung nicht vor. 

Kann die Kurzarbeit einseitig angeordnet werden? 

Kurzarbeit kann nicht ohne weiteres einseitig angeordnet werden. Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit nur aufgrund einzelvertraglicher oder kollektiver Grundlage einführen. Damit ist insbesondere die einseitige Einführung durch die Direktionsbefugnis ausgeschlossen. In Betrieben ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber das Recht zur Anordnung von Kurzarbeit in Arbeitsverträgen regeln. Auch in Tarifverträgen können „Kurzarbeitsklauseln“ enthalten sein, welche die Einführung von Kurzarbeit unter näher bestimmten Voraussetzungen ermöglichen. Zu diesen gehören dann etwa Ankündigungsfristen, sodass der Arbeitgeber die Beschäftigten innerhalb einer Frist über die Einführung von Kurzarbeit informieren muss. Falls ein Betriebsrat vorhanden ist, verbleibt als mögliche Rechtsgrundlage auch eine Betriebsvereinbarung. In diesen Betrieben bietet die Betriebsvereinbarung für den Arbeitgeber eine Möglichkeit, die Kurzarbeit zu regeln. Statt mit jedem Arbeitnehmer einzelvertraglich Regelungen festzuhalten, besteht die Möglichkeit, eine Regelung für alle Arbeitnehmer zu treffen. 

Für die Regelungen in der Betriebsvereinbarung ist darauf zu achten, dass die sich ergebenden Rechte und Pflichten für die Arbeitnehmer*innen zuverlässig zu erkennen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit nur wirksam, wenn sie „mindestens die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer“ regelt. 

Fazit 

Kurzarbeit kann in Krisenzeiten nicht nur ein Instrument zum Erhalt von Arbeitsplätzen sein, sondern auch zum Erhalt der Betriebe selbst. Auch im Zusammenhang mit der Energiekrise können und werden einige Unternehmen auf die Kurzarbeit zurückgreifen. Dabei sollten Arbeitgeber bei dem Antrag für die Agentur für Arbeit besonders gründlich sein. Pandemiebedingt sind die Agenturen noch überlastet mit Anträgen für Kurzarbeit. Durch die erhöhten finanziellen Lasten der Erstattungsleistungen werden die Anträge gründlichen Prüfungen unterzogen. Eine besonders sorgfältige Begründung und auch Belege für die Voraussetzungen werden für einen erfolgreichen Antrag unverzichtbar sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass krisenbedingte Preissteigerungen allein nicht ausreichen. Anders sieht dies bei Lieferengpässen und Rohstoffmangel aus.