29. November 2022

Energiekrise – Wie kommen Arbeitgeber über den Winter?

Energie und Krise Sachverständige Beratung

Es ist Winter und die Temperaturen sinken. Strom und Gas werden zur Mangelware. Die Energiekrise zwingt auch Arbeitgeber, Energie zu sparen. Aber wie?
Kann der Arbeitgeber eine niedrigere Temperatur in Büroräumlichkeiten oder gar Home Office anordnen?  

 

Energiesparen durch Absenken der Raumtemperatur in den Büros? 

Für öffentliche Gebäude besteht bereits die Pflicht, nicht über eine gewisse Höchsttemperatur (abhängig von der Tätigkeit) zu heizen. Für private Unternehmen gibt es eine solche Pflicht nicht, soweit ihre Betriebsräume nicht in öffentlichen Gebäuden liegen. Für private Unternehmen gelten die technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A3.5 Raumtemperatur). Diese sehen unter anderem Mindestlufttemperaturen, abhängig von der Tätigkeit, vor. In einem Büro, in dem  Mitarbeiter überwiegend sitzend leichte Hand-/Armarbeit erledigen, sind mindestens 20 °C vorgeschrieben. 

Das gilt so nicht mehr uneingeschränkt. Am 1. September 2022 ist im Zuge der Energiekrise eine neue Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (EnSikuMaV) in Kraft getreten. Die Verordnung regelt unter anderem die Höchsttemperatur für öffentliche Gebäude. Für private Arbeitgeber hat sie andere Folgen.  

In privaten Betriebsräumen ist für die Geltungsdauer der Verordnung (bis 28. Februar 2023) die Mindesttemperaturen der ASR A3.5 ausgesetzt. Für  körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeit gelten 19 °C. 

Arbeitsgeberseitige Fallstricke sind zu beachten: Was für die Arbeitsräume gilt, gilt nicht zwingend für andere Räume, etwa den Pausenraum. Auch kann das Absenken der Raumtemperatur auf 19 °C der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen, etwa § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Der Arbeitgeber darf durch die Absenkung nicht seine gesundheitlichen Schutzpflichten gegenüber seinen Beschäftigten vernachlässigen.  

 

Alle Mitarbeitenden wegen der Energiekrise ins Home Office schicken? 

Es gibt keine gesetzliche Grundlage, Home Office (nicht im Sinne von Telearbeit, sondern im Sinne von mobilem Arbeiten in den Wohnräumen des Arbeitnehmers) aufgrund der Energiekrise einseitig anordnen zu können.  

Die Möglichkeit  besteht nur, wenn eine entsprechende Vereinbarung mit den Arbeitnehmer oder zwischen den Betriebs- oder Tarifparteien existiert.  Entgegen populären Auffassungen kann  eine einseitige Anordnung mittels Weisungsrecht gemäß § 106 GewO  nur in Ausnahmefällen greifen, etwa bei Ausfall der Heizung wegen staatlichen Eingriffs durch die Bundesnetzagentur. 

 

Wer zahlt die Mehrkosten für das Home Office? 

Home Office kann für betroffene Arbeitnehmer bedeuten, dass sie mit höheren Energiekosten belastet werden.  

Analog wird in  § 670 BGB angenommen, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten (Mehr-)Kosten zu erstatten hat, die in seinem Interesse liegen. Soweit die Beschäftigten auf eigenen Wunsch ins Home Office gewechselt sind und ihre Interessen im Vordergrund stehen, besteht kein Erstattungsanspruch. 

Für den Arbeitgeber ist die Ausgestaltung einer Home Office Regelung entscheidend. Aus der Regelung muss hervorgehen, dass die Beschäftigten nicht verpflichtet sind, im Home Office zu arbeiten, sondern nur das Recht auf Home Office haben. Dann können sich die Beschäftigten entscheiden, ob sie den Arbeitsweg in Kauf nehmen und im Büro oder im Home Office arbeiten und dafür erhöhte Nebenkosten zu befürchten haben. Ab 2023 können Arbeitnehmer an bis zu 200 Tagen fünf Euro pro HomeOffice-Tag absetzen. Damit können insgesamt bis zu 1.000 Euro jährlich steuerlich geltend gemacht werden, statt bislang 600 Euro im Jahr. 

Sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers nicht vertraglich ausgeschlossen, können Arbeitnehmer und Arbeitgeber bzw. Betriebsrat auch einvernehmlich eine pauschale Abgeltung der Aufwendungen des Arbeitnehmers regeln.  

Energiekrise als Begründung für Kurzarbeit? 

Im Rahmen der Corona-Pandemie wurde ein vereinfachter Zugang zum Kurzarbeitergeld beschlossen. Diesen hat der Bundestag am 29. September 2022 verlängert, sodass die Sonderregelung bis Mitte 2023 genutzt werden kann. Doch haben Unternehmen wegen der Energiekrise Anspruch auf Kurzarbeit? Das gilt nicht zwingend. 

Auch bei Geltung der Zugangserleichterung müssen die vorhandenen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld erfüllt werden. Selbst wenn ein Unternehmen aufgrund der derzeit hohen Energiekosten den Betrieb oder Betriebsteile vorübergehend einschränkt oder stilllegt, stellt dies derzeit keine ausreichende Begründung für die Geltendmachung von Kurzarbeit dar. Vielmehr unterliegt das dem sog. Betriebsrisiko, welches sich in der Stilllegung realisiert. 

Anders könnte dies aussehen, wenn im Rahmen des Notfallplans Gas die Notfallstufe ausgerufen wird und der Staat regulierend eingreifen darf. Würde in einem solchen Extremfall der Betrieb von der Gasversorgung ausgeschlossen und daher gezwungen werden den Betrieb stillzulegen, könnte dies zu Kurzarbeitergeld berechtigen. 

Fazit 

Die Energiekrise verlangt von Arbeitgebern Maßnahmen. Eine simple Energiesparmaßnahme stellt das Senken der Raumtemperatur im Büro dar. Hinsichtlich des Home Offices sollte der Arbeitgeber darauf achten, dass Beschäftigte das Home Office freiwillig wählen können. Dabei sollte ein betrieblicher Arbeitsplatz weiter verfügbar sein, um zu vermeiden, dass das Home Office im Interesse des Arbeitgebers liegt und Beschäftigte einen Kostenerstattungsanspruch haben. Unternehmen sollten Sparmaßnahmen sowie Notfallpläne erarbeiten. Dabei ist für die Akzeptanz der Belegschaft, der Dialog zu den Mitarbeitenden und/oder Arbeitnehmervertretungen, stets ratsam. Der Betriebsrat hat ohnehin bei einigen Maßnahmen ein Mitbestimmungsrecht. Für die möglichst größte Energieeffizienz ist eine gemeinschaftliche Lösung am erfolgversprechendsten.