6. Februar 2022

Der Mindestlohn wird erhöht – führt dies zu mehr Leistungsgerechtigkeit?

Aktuelles

„Die Erhöhung auf 12€ Mindestlohn wird und muss kommen. Das ist eine Frage der Leistungsgerechtigkeit und des Respekts vor ordentlicher Arbeit.“, so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil noch vor wenigen Tagen in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. „Olaf Scholz hat als Kanzlerkandidat gesagt, dass wir den Mindestlohn innerhalb eines Jahres auf 12 Euro erhöhen. Und wir werden ihn 2022 erhöhen, weil es notwendig ist.“, so der SPD-Politiker. Er plant die versprochene Erhöhung des Mindestlohns, das ein zentrales Wahlversprechen der SPD war, noch in diesem Jahr umzusetzen. Er werde den Gesetzesentwurf dazu in den kommenden Wochen vorlegen und den Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 anheben.

Derzeit liegt der Mindestlohn in Deutschland bei 9,82 Euro brutto pro Stunde, war er zum 1. Januar 2022 schon um 22 Cent pro Stunde gestiegen. Zum 1. Juli steigt die Lohnuntergrenze nach geltendem Recht auf 10,45 Euro die Stunde an. Die nun geplante Erhöhung des Mindestlohns nur ca. drei Monate später stellt eine Erhöhung von rund 15% dar. Aber sorgen 12€ Mindestlohn wirklich für mehr Leistungsgerechtigkeit und Respekt vor ordentlicher Arbeit? Gibt es nicht vielleicht auch noch andere Instrumente, um auch wirklich nachhaltig die moderne Arbeitswelt zu gestalten und fairer für alle Beteiligten zu gestalten? Wie könnte die Ampel-Regierung die Leistungsgerechtigkeit bewirken, für mehr Respekt vor ordentlicher Arbeit sorgen und somit tatsächlich mehr Fortschritt sorgen und damit das Credo ihres Koalitionsvertrages auch aktiv leben?

Mindestlohn als Lohnuntergrenze – so war die bisherige Entwicklung

Der zum 01. Januar 2015 in Deutschland eingeführte allgemeine gesetzliche Mindestlohn gab zum ersten Mal eine Lohnuntergrenze an, die nicht unterschritten werden darf. Das dafür erlassene Mindestlohngesetz gibt vor, für wen und wann der Mindestlohn zu zahlen ist, wie die Höhe bestimmt und wie die Einhaltung durchgesetzt und kontrolliert wird.

Über die Anpassung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns entscheidet nach der Konzeption des Mindestlohngesetzes alle zwei Jahre eine unabhängige Kommission der Tarifpartner, die sich aus Vertretern der Arbeitgeberverbände sowie den Gewerkschaften zusammen­setzt und außerdem von Wissenschaftlern beraten wird. Die Bestimmung des gesetzlichen Mindestlohns durch die sachnäheren Sozialpartner geht einher mit einer Stärkung der Tarifautonomie. Hier ein Überblick über die bisherige Entwicklung und die derzeit geplante Veränderung für den Mindestlohn.

JahrMindestlohn (in €/die Stunde)
20158,50
20168,50
20178,84
20188,84
20199,19
20209,35
20219,50 (1. Halbjahr)

9,60 (2. Halbjahr)

20229,82 (1. Halbjahr)

10,45 (2. Halbjahr)

Höherer Mindestlohn – Wie viele Menschen profitieren davon?

Laut Hubertus Heil arbeiten viele Menschen im Land „im viel zu großen Niedriglohnsektor“ arbeiten und kämen „trotz Vollzeitarbeit kaum über die Runden“. Von der Erhöhung würden „Millionen Menschen in Deutschland profitieren – darunter vor allem viele Frauen und viele Menschen in Ostdeutschland, wo der Niedriglohnbereich wegen mangelnder Tarifbindung besonders groß ist“. Von der Anhebung profitieren nach dem in Rede stehendem Gesetzesentwurf etwa 6,2 Millionen Beschäftigte, die bei Inkrafttreten der Erhöhung einen Stundenlohn von weniger als zwölf Euro erhielten. Das Statistische Bundesamt teilte im Dezember jedoch auf der Grundlage einer Erhebung der Verdienste im April 2021 mit: „Von einem Mindestlohn von 12 Euro würden knapp 7,2 Millionen Beschäftigte profitieren.“ Der Deutsche Gewerkschaftsbund geht hingegen sogar von 8,6 Millionen Menschen aus, für die sich effektiv eine Verbesserung ihrer finanziellen Situation ergeben würde.

Mindestlohn soll steigen – Unterschiedliches Echo zu dieser Veränderung

Für die Arbeitgeber rechnet Hubertus Heil mit erhöhte Lohnkosten von rund 1,63 Milliarden Euro durch den höheren Mindestlohn. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeber kritisierte bereits jetzt das Eingreifen des Gesetzgebers und die geplanten Veränderungen. Sie spricht von „Staatslöhnen“, einen Angriff auf die Tarifautonomie und erwägt eine Klage. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hingegen fordert seit langem einen Mindestlohn von zwölf Euro, denn „Niedrige Löhne werden in erster Linie dort gezahlt, wo Tarifverträge fehlen“, sagte das Vorstandsmitglied Stefan Körzell zu Reuters. „Dort wird die Anhebung des Mindestlohns am stärksten wirken.“

Sorgt der Mindestlohn denn nun wirklich für mehr Leistungsgerechtigkeit und Respekt vor ordentlicher Arbeit?

Ein erhöhter Mindestlohn ist für Hubertus Heil essentiell, um Leistungsgerechtigkeit zu verwirklichen und Respekt vor ordentlicher Arbeit zu schaffen. „Insgesamt hat die Pandemie deutlich gemacht, dass viele Menschen, die dieses Land am Laufen halten, keine einfachen Arbeitsbedingungen haben – zum Beispiel in der Pflege, Logistik oder an der Supermarktkasse. Wir brauchen mehr Leistungsgerechtigkeit und Respekt für diejenigen, die viel arbeiten, aber bisher zu wenig Lohn bekommen.“, so das klare Statement von Hubertus Heil.

Die Frage nach einem gesetzlichen Mindestlohn muss allerdings vor allem vor dem Hintergrund der Tarifautonomie gesehen werden. Der Mindestlohn ist da nur der erste Schritt. Nur noch ca. 48 Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiteten aktuell unter dem Dach eines Tarifvertrages, der in der Regel für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne sorgt. Der Passauer Neuen Presse sagte Heil dazu: „Wir brauchen vor allem mehr ordentliche Tarifverträge“.

Die Erhöhung des Mindestlohns ist nur ein Instrument, um Leistungsgerechtigkeit und Respekt vor ordentlicher Arbeit für Arbeitnehmer zu gewährleisten. Weitere Stellschrauben wie Allgemeinverbindlichkeitserklärungen müssen ebenfalls gedreht werden, um die hoch gesetzten Ziele auch wirklich zu erreichen.