Einrichtungsbezogene Impfpflicht & die Konsequenzen für die Arbeitswelt
Die Corona-Pandemie hält unsere Gesellschaft weiter in Schach. Im Vergleich zur Vorwoche sinkt die Sieben-Tages-Inzidenz, laut Robert-Koch-Institut jedoch nicht schnell genug. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rechnet mit einer massiven fünften Welle. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Omikron-Welle, vor der wir stehen, die wir aus meiner Sicht nicht verhindern können, eine massive Herausforderung wird für unsere Krankenhäuser, für unsere Intensivstationen, aber auch für die Gesellschaft in der Gänze.“, lautet seine Prognose. Man sei an einem Schlüsselpunkt der Pandemie, die Impfquote ist jedoch mit aktuell 69.9% (Stand: 17.12.2021) weiterhin zu niedrig.
„Wir machen ein Impfangebot, setzen auf Freiwilligkeit und Vernunft.“, waren die Worte des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) vor knapp einem Jahr. Die Zeit zeigte, dass man mit Freiwilligkeit allein allerdings keine angemessene Impfquote erreichen konnte. In Anbetracht der ernsten Lage besteht Handlungsbedarf. Der Ruf nach einer allgemeinen Impfpflicht wird lauter – zumindest teilweise.
Ein erster Schritt in eine solche Richtung ist in der vergangenen Woche gesetzt worden. Bundestag und Bundesrat haben das „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19“ beschlossen. In diesem wurde geregelt, dass unter anderem Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitsberufen ab Mitte März geimpft oder genesen sein müssen, sonst drohen Tätigkeitsverbote und Kündigung. Trotz der derzeit angespannten Pandemie-Situation bergen die neuen Regelungen einigen Diskussionsstoff – vor allem in Bezug auf die rechtliche Zulässigkeit und die Umsetzung für die Arbeitswelt.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht – Für wen gilt die Impfpflicht?
Die Impfpflicht trifft alle Beschäftigten der in § 20a Infektionsschutzgesetz genannten Einrichtungen. Dabei ist es ganz gleich, welche Tätigkeit sie dort ausüben. Es gilt der Schutz von vulnerablen Gruppen, die auf systemrelevante Einrichtungen angewiesen sind, sowie der Einrichtungen selbst. Eine Impfpflicht allein für Beschäftigte mit Patientenkontakt würde den gewünschten Schutz nicht erzeugen, da diese regelmäßig auch Kontakt zu Beschäftigten aus sonstigen dem Betrieb dienenden Bereichen haben. Betroffene Einrichtungen sind beispielsweise Krankenhäuser, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Gesundheitsämter, Heilpraxen, Alten- und Pflegeheime sowie die ambulante Pflege.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht – Ab wann gilt die Impfpflicht?
Beschäftigte der betroffenen Einrichtungen müssen bis zum 15. März 2022 ihrem Arbeitgeber einen Nachweis über eine abgeschlossene Impfung oder einen Genesenennachweis vorweisen. Falls eine Impfung aus gesundheitlichen Gründen ausscheidet, ist dies durch ein ärztliches Attest zu belegen. Rechtsgrundlage wird der dazu neu eingeführte § 20a Infektionsschutzgesetz sein. Zudem ist ab dem 16. März 2022 ohne Vorlage eines entsprechenden Nachweises keine Aufnahme der Tätigkeit in den betroffenen Einrichtungen mehr möglich.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht und die arbeitsrechtlichen Konsequenzen
Was bedeutet die einrichtungsbezogene Impfpflicht nun konkret für Arbeitgeber? Welche Dokumentationspflichten haben sie? Welche Fallstricke müssen sie beachten? Was passiert, wenn sie der Dokumentationspflicht nicht nachkommen? Und welche Bedeutung hat sie für Arbeitnehmer?
Dokumentationspflicht der Arbeitgeber
Die Beschäftigen der Einrichtungen müssen bis zum 15. März die erforderlichen Dokumente bei ihrem Arbeitgeber vorlegen. Welche Anforderungen an den Nachweis zu stellen sind, regelt der § 20a Infektionsschutzgesetz. Demnach müssen Personen, die in den genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind entweder einen Impfnachweis im Sinne des § 2 Nummer 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung, einen Genesenennachweis im Sinne des § 2 Nummer 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in der jeweils geltenden Fassung oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können, nachweisen.
Grundsätzlich genügt es, wenn Arbeitgeber den Status prüfen und diesen gesondert von der Personalakte dokumentieren. Wenn der Nachweis nicht bis zum Ablauf des 15. März 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Daten zu übermitteln.
Was passiert, wenn Arbeitgeber der Dokumentationspflicht nicht nachkommen?
Kommt der Arbeitgeber der Dokumentationspflicht nicht nach, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Verstöße dagegen sind bußgeldbewehrt nach § 73 Absatz 1a Nr. 7e Infektionsschutzgesetz. Es ist nach § 73 Absatz 2 Infektionsschutzgesetz mit einem Bußgeld von bis zu 25.000,-€ zu rechnen.
Was geschieht mit Beschäftigten, die der Nachweispflicht nicht nachkommen wollen oder explizit erklären, dass sie sich nicht impfen wollen?
Wie geht man ab dem 16. März 2022 als Arbeitgeber mit Beschäftigten, die keinen Impf-, Genesenen- oder Kontraindikationsnachweis vorlegen, in Bezug auf das Arbeitsentgelt und den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses um? In der Gesetzesbegründung heißt es dazu gleich an zwei Stellen „Im Ergebnis entfällt für diesen Personenkreis die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers (§ 326 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch, § 326 Absatz 2, §§ 615 und 616 Bürgerliches Gesetzbuch sind nicht einschlägig). Weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen können im Einzelfall in Betracht kommen.“
Der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ gilt auch hier, etwas anderes könnte jedoch gelten, wenn ein Unternehmen andere Arbeitsplätze innerhalb eines anderen Betriebes hat, die einen solchen Nachweis nicht erfordern. Auch das Home Office könnte hier eine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sein. Ebenfalls könnte man sich unter dem Ausgangspunkt des § 615 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch fragen, ob man Beschäftigten vorwerfen kann, dass sie nicht geimpft sind, denn an sich sind sie gesetzlich nicht zur Impfung verpflichtet. Eine Verpflichtung zur Impfung würde dann nämlich zu einer Impfpflicht im Wege des Zivilrechts führen.
Die arbeitsrechtlichen Konsequenzen sind vor allem in einer erneuten Aufforderung des Nachweises, einer Abmahnung oder als ultima ratio auch in einer Kündigung zu sehen. Sofern gegenüber dem Arbeitnehmer bei Nicht-Vorlage des Nachweises ein behördliches Beschäftigungsverbot erteilt wird, fehlt es dem Arbeitnehmer an der persönlichen Eignung und eine personenbedingte, ordentliche Kündigung kann möglich sein. Die arbeitsrechtlichen Konsequenzen werden die Arbeitsgerichte in den kommenden Monaten beschäftigen. Bisher herrschende Grundsätze dürften weiterhin Anwendung finden.
Ab dem 16. März 2022 werden einzustellende Beschäftigte im Vorstellungsgespräch zudem auch sicherlich dazu befragt werden, ob sie geimpft oder genesen sind und zur Vorlage der entsprechenden Unterlagen verpflichtet werden. Die Aufnahme der Tätigkeit im Betrieb darf dann erst erfolgen, wenn der entsprechende Nachweis erbracht ist.
Meine Gedanken zur neuen Regelung
Es handelt sich bei der Regelung um eine „gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzung“, bei der an eine Tätigkeit, die innerhalb der genannten Institutionen verrichtet wird, angeknüpft wird. Entscheidet sich ein Beschäftigter gegen eine Impfung, bringt diese Entscheidung Nachteile in Bezug auf sein Arbeitsverhältnis mit sich, die er sorgsam für sich selbst abwägen muss.
Obwohl es in der Gesetzesbegründung heißt, dass die Freiwilligkeit der Impfentscheidung selbst unberührt bleibt, stellt die Regelung des § 20a Infektionsschutzgesetz eine partiell-faktisch wirkende Impfpflicht für Beschäftigte dar. Dies bedauere ich, denn ich denke, dass die Einführung einer Impfpflicht für Beschäftige derart grundrechtsrelevant ist, dass sie durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber ausdrücklicher erfolgen sollte. Ich frage mich, ob der Gesetzgeber durch diese Regelung die gesellschaftliche Spaltung nicht noch weiter vorantreibt, indem er den Konflikt zwischen Staat und Bürger auf ein etwaig bestehendes Arbeitsverhältnis verlagert. Allen voran setzt er den Arbeitgeber einem nicht unerheblichen Prozess- und Kostenrisiko aus.
Die offenen Fragen rund um die neuen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes in Bezug auf die Betriebsparteien werden nun jedoch trotzdem zeitnah die Arbeitsgerichte beschäftigen. Sobald eindeutige Entscheidungen ergangen sind, wird der Beitrag entsprechend angepasst. Bis dahin gilt es weiterhin gespannt auf den Diskurs rund um eine gesetzgeberische Impfpflicht zu schauen und darauf zu hoffen, dass die Pandemie-Situation sich besser entwickelt, als Bundesminister Karl Lauterbach sie prophezeit hat.